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ARCHIV 2006 - Februar 2014
Frankfurter Gespräch
Was ist heute "konservativ"?

Thema

Der Konservatismus, insbesondere in seiner politischen Gestalt, der CDU/CSU, galt lange als der Hauptgegner der grün-alternativen Bewegung schlechthin. Wenngleich schon im grünen Parteigründungsprozess 1979/1980 konservative Kreise, die sich vor allem aus ökologischen Gründen von der CDU emanzipiert hatten, ihren Weg zu den Grünen fanden, blieben sie dort doch eher marginal. Das hat sich in den letzten Jahren insofern geändert, wie sich die Wähler- und Mitgliedschaft der grünen Partei gewandelt hat: "Keine Partei ist bürgerlicher als sie", stellte vor kurzem der Göttinger Politikwissenschaftler Franz Walter fest.
Wie die Grünen selbst ist das Konservative durch eine Metamorphose gegangen, in der es sich von der feindlichen Bedrohung nach der Verpuppung zu einem integralen Bestandteil grüner Identität gewandelt hat. Folgerichtig sind Koalitionen mit der Union, wie mittlerweile auch in Frankfurt a. M., keine Ausnahme mehr, geschweige denn ein Verstoß gegen die "reine Lehre" grünen Politikverständnisses.
Aber auch umgekehrt ist der traditionelle Konservatismus nicht mehr der alte. Mit der liberalen Säkularisierung westlicher Gesellschaften, den Entwicklungen in Wissenschaft und Technik und vor allem der Globalisierung stehen auch für den Konservatismus sicher geglaubte Tatbestände und Werte vor großen Herausforderungen. Auf diese Herausforderungen kann verschieden reagiert werden: Entweder mit der Beschwörung traditioneller Werte, die gegen gesellschaftliche Realitäten und Entwicklungen immun sind und dennoch durchgesetzt werden (sollen) oder mit Modernisierung und dadurch verbesserter Anpassungsfähigkeit unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung von festzulegenden Kernbeständen des konservativen Menschen- und Weltbildes, mit dem Ziel die politische Hegemonie (wieder) zu erobern.
Daraus ergeben sich eine Reihe von Fragen:

  • Was macht den (politischen) Konservatismus im Kern aus? Welche Bestandteile sind unhintergehbar, welche verzichtbar, um anschlussfähig und potenziell mehrheitsfähig zu sein?
  • In welchem Verhältnis steht die grün-alternative Bewegung zum Konservatismus? Können bzw. sollten Alternative und Konservative in einen wechselseitigen Lernprozess eintreten?
  • Und wie sieht es mit der Kehrseite aus: Antiliberales, antimodernes und auch antidemokratisches Denken und Handeln speist sich nicht selten aus einem konservativ geprägten Ideologiereservoir. Stellt der Konservatismus in fundamentalistischer Ausprägung - siehe Polen, USA… - möglicherweise eine ernsthafte Bedrohung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Frieden dar?
 
Referenten
Paul Nolte, Professor für Neuere Geschichte, Freie Universität Berlin
Micha Brumlik, Professor für Erziehungswissenschaften, JWG-Universität Frankfurt a. M.

Moderation
Matthias Arning, Frankfurter Rundschau

Termin
Donnerstag, 16. November 2006, 19.00 Uhr

Veranstaltungsort
Saalbau Bornheim, Clubraum 1, Arnsburger Straße 24,
60385 Frankfurt am Main

 

Studienwerk der Heinrich-Böll-Stiftung