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ARCHIV 2006 - Februar 2014
Meinungsvielfalt und Mediengesetz in Argentinien
Podiumsdiskussion im Forum Dialog auf der Frankfurter Buchmesse

Seit Monaten laufen die größten argentinischen Medienkonglomerate mit allen publizistischen und juristischen Mitteln Sturm gegen ein neues Gesetz für audiovisuelle Medien, mit dem die Kirchner-Regierung den aus Diktaturzeiten stammenden rechtlichen und institutionellen Rahmen der argentinischen Medienlandschaft reformieren will. Die alte Regelung privilegierte, ganz im Sinne einer autoritären Kontrolle, wenige in Diktaturzeiten genehme Print-medienkonzerne, die während der Privatisierungswelle in den neunziger Jahren Radio-, TV- und Kabellizenzen anhäuften und somit bis heute die argentinische Medienlandschaft mit monopolartigen Strukturen beherrschen.  Besonders deutlich wurden die Auswirkungen dieser Konzentration im Konflikt zwischen Regierung und Agrarwirtschaft über die Erhebung von Agrarsonder-steuern auf die exorbitanten Sojaexportgewinne, als die Medien, zum Teil verflochten mit Agrargrossunternehmen, eine beispiellose Kampagne gegen die Regierung fuhren. Das neue Gesetz wurde in einem exemplarischen zivilgesellschaftlichen Dialogprozess von über einem Jahr in allen Landesteilen unter Beteiligung zahlreicher Nichtregierungsorganisation, Universitäten und unabhängigen Expert_innen erarbeitet und hat zwei zentrale Säulen: Zum Einen eine klare Dreiteilung des Medienmarktes über das Instrument der Lizenzvergabe an private einerseits, öffentlich-rechtliche Medienunternehmen andererseits sowie einen nicht-kommerziellen Bereich für Bürger_innen, Kooperativen und NGO-Medien. Aus dieser Dreiteilung folgt zum Anderen der konfliktivste Teil des neuen Gesetzes, der ein juristisches Instrument zur Entflechtung, bzw. Ent-monopolisierung vorsieht und somit binnen Jahresfrist nach Inkraftsetzen des neuen Gesetzes die großen Medienmonopole zum Verkauf eines Großteils ihrer Lizenzen, respektive Subunternehmen verpflichtet.    Über die Notwendigkeit der Reform besteht breiter gesellschaftlicher Konsens, so dass das Gesetz, nach einigen Änderungen - in seinen wesentlichen Teilen jedoch unberührt- vom Kongress verabschiedet wurde. Damit dürfte dieses Mediengesetz weltweit einer der demokratischsten Versuche darstellen, Meinungspluralität und –diversität als Grundvoraussetzung für demokratische Teilhabe unter aktiver Beteiligung von Bürger_innen zu entwickeln und zu garantieren. Zugleich bietet der Wiederaufbau eines öffentlich-rechtlichen Radio- und TV-Systems als Teil des Drei-Säulen-Modells der argentinischen Kulturlandschaft eine neue finanzielle und Verbreitungsplattform. Ein bisher wenig beachtetes, doch für die demokratische Wissenskultur des Landes weitreichendes Projekt ist der Versuch der Internetplattform der TV Pública, das vom physischen Verfall bedrohte audiovisuelle Nachrichten-Archiv der letzten 40 Jahre Diktatur und Redemokratisierung zu digitalisieren, unter einer commons-Lizenz zu veröffentlichen und somit auf Dauer ein wesentliches zeithistorisches Dokument der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Welche Auswirkungen hat das neue Mediengesetz in Argentinien auf den Zugang zu Information und Wissen, auf Meinungspluralität und -diversität als Grundvoraussetzung für Demokratie? Welche Rolle spielt das neue, öffentliche Radio- und TV-System in diesem Zusammenhang? Inwiefern verweisen diese Entwicklungen auf eine „Rückkehr des Öffentlichen“ in Argentinien und in anderen Demokratien? Mit: Mateo Gómez, TV Publica Argentina, Koordinator technische Plattformen, Buenos Aires Beatriz Busaniche, Medienwissenschaftlerin, Organisation Vía Libre, Buenos Aires    Moderation: Michael Álvarez, Heinrich-Böll-Stiftung, Büroleiter Cono Sur, Santiago de Chile Termin: Freitag, 8. Oktober 2010, 11.30 bis 12.30 Uhr Forum Dialog, Frankfurter Buchmesse Sprache: Spanisch-Deutsch mit Simultanübersetzung Veranstalter: Heinrich-Böll-Stiftung

 

Studienwerk der Heinrich-Böll-Stiftung