Die Volksrepublik China im olympischen Jahr
Tagung
Seit dem Tod Mao Tse-tungs im Jahre 1976 hat sich die Volksrepublik China einerseits grundlegend gewandelt und ist zum anderen doch erstaunlich unverändert geblieben. Die gravierendsten Änderungen hat es zweifellos in der Wirtschaft und in den sozialen Beziehungen gegeben. China ist heute eine globale Wirtschaftsmacht mit einem niemals zuvor gekannten Niveau der Integration in die Weltwirtschaft. Gleichzeitig ist die Kluft innerhalb der chinesischen Gesellschaft seit dem Ende der Politik der „eisernen Reisschale“ so tief wie selten zuvor. Einer sehr kleinen Gruppe, die über den Großteil aller entscheidenden Produktions- und Machtmittel verfügt, steht eine viele hunderte Millionen Menschen umfassende, weiter wachsende Gruppe von Land-, Besitz- und Rechtlosen gegenüber. Wenig geändert hat sich jedoch im politischen System. Nach wie vor ist die KP das alles entscheidende Machtorgan, an dem kein Weg vorbeiführt. Gleichwohl sind die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte auch an ihr nicht spurlos vorübergezogen. In zum Teil offen sichtbar ausgetragenen „Kämpfen zweier Linien“ finden in der Partei Auseinandersetzungen darüber statt, wie auf die Herausforderungen des Wandels reagiert werden soll, womit gleichzeitig die Frage nach der weiteren Entwicklungsrichtung des Landes aufgeworfen ist. Im Jahr der olympischen Spiele schaut die ganze Welt auf das Gastgeberland China. Die meisten Staaten haben, aus verschiedenen Gründen, die permanenten strukturellen Menschenrechtsverletzungen Chinas auf der politischen Agenda weit nach hinten gerückt. Trotz des darin zum Ausdruck gebrachten „guten Willens“ hat der blutige Konflikt um Tibet die Volksrepublik schon weit vor dem Start der Spiele in ein schlechtes Licht gerückt und eine internationale Olympia-Boykott-Debatte ausgelöst. Zwar haben die Folgen des Erdbebens diese in den Hintergrund gedrängt, aber die repressive Innenpolitik wird trotz alledem – nicht nur in Tibet – mit unverminderter Härte und Konsequenz fortgesetzt. Wie eh und je mangelt es der politischen Diktatur an Spielregeln und Instrumentarien, Konflikte auf dem Stand der zivilisatorischen Entwicklung zu regulieren. Der herrschenden Freund-Feind-Dichotomie entsprechend, folgen auf „abweichendes Verhalten“ regelmäßig wiederkehrende Unterdrückungsmaßnahmen, die jedes Jahr tausende Exekutionen und zehntausende Gefängnis- und Lagerinsassen evozieren. Auch andere Aspekte der jüngeren chinesischen Entwicklung weisen eine gewisse Widersprüchlichkeit auf, beispielsweise in der Umweltpolitik, die zum Teil wegweisende Programme im Bereich der erneuerbaren Energien ins Leben gerufen hat, andererseits aber nicht verhindern kann, dass der CO2-Ausstoß immer weiter ansteigt und China zum größten Klimazerstörer weltweit avancieren ließ. Als weitere Themen wären die internationale Politik oder auch die – im Olympiajahr besonders relevante – laxe Anti-Dopingpolitik zu nennen. Über diese und weitere Themen sich mit ausgewiesenen Fachleuten und Praktiker/inne/n auszutauschen, soll diese Tagung den notwendigen Raum bieten.
Programm
Diskussion
16.00 Uhr V) Menschenrechte – Demokratie – ZivilgesellschaftBarbara Lochbihler, Generalsekretärin der deutschen Sektion von amnesty international, Bonn Felix Lee, taz, Berlin Jochen Noth, geschäftsführender Gesellschafter des Asien-Pazifik-Institutes für Management, Berlin
Moderation:Sven Hansen, taz, Berlin
Veranstaltungsort: Saalbau Bornheim, Clubraum 1, Arnsburger Straße 24, 60385 Frankfurt am Main
Tagungsgebühr: Euro 12.-, ermäßigt Euro 7.- (Studierende, Azubis, Erwerbslose) In der Tagungsgebühr sind Imbiss und Tagungsgetränke enthalten. Anmeldung: (bis 4. August) bei zwengel@hbs-hessen.de
Recht auf informationelle Selbstbestimmung?
Videoaufzeichnung der Veranstaltung am 27. Februar 2014 in Frankfurt/M.
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Studienwerk der Heinrich-Böll-Stiftung